demonstrativ am lila weißen tisch – eine fahrt zur fanszene 1907

es gibt vereine, die einstmals höherklassig in erscheinung traten und gerne in rubriken gehieft werden á la: „was wurde eigentlich aus …?“. diese verfügen manchmal noch über eine zwar deutlich geschrumpfte, aber durchaus aktive fanszenerie, welche dann meist in einem stark überdimensioniert wirkenden, in die jahre gekommenen, aber spannenden ground steht. beispielhaft genannt: asv bergedorf 85, arminia hannover, tasmania berlin oder auch der dresdner sc. dann gibt es aber auch vereine, welche weder auf eine historie voller aufregender geschichten und anekdoten in den „oberen ligen“ verfügen, noch auf einen altehrwürigen ground, in dem es an allen ecken nach „geschichte“ riecht. doch auch unter diesen vereinen gibt es jene, die eine stabile und lebendige fancrew haben, die da ist, bleibt und mächtig bebt. trotz des umstands, dass ihr angebeteter club auch noch in 100 jahren durch die „liga der bedeutungslosigkeit“ kräuchen wird. beispiele sind: dynamo windrad, aks zły warschau oder eben der verein mit dem knackigen namen sv linden 1907.

bei diesem hannoveraner sportverein im alternativen kiez linden fand sich vor knapp acht jahren die fanszene 1907 zusammen. ich muss leider zugeben, dass mir dies in den ersten fünf jahren komplett entgangen ist. erst beim „dr. waldemar spier pokal“, einem klasse hallenturnier in düsseldorf, fielen mir einige lila weiß gewandete auf. wobei „einige“, eine völlig unangebrachte formulierung darstellt. eher taugen da worte wie „mob“, „meute“ oder „riesiger haufen“. das eventuell etwas verzerrte bild aus meiner erinnerung: elfmeterschießen zwischen linden und einer anderen truppe. die andere truppe steht mit ihren zehn leuten in der nähe der jeweiligen schützen*, redlich bemüht, diese durch anwesenheit und aufmunternde klatschbewegungen zu supporten. linden steht dagegen alleine rechts und links neben den torpfosten mit gefühlt 50 menschen „stattlicher“ statur. welch imposanter anblick! schütze sein möchte ich jetzt nicht, dacht ich mir damals. wer zur hölle ist das eigentlich? dacht ich mir außerdem. in der nacht, welche mehr oder weniger tanzend verlebt wurde, wurden erste zarte anbändelungen begangen… so verbrachte ich das frühstück am morgen danach auch demonstrativ am lila weißen tisch.

letztes jahr schlugen blickige freund*innen vom dresdner sportclub vor: lasst uns mal gen linden pilgern! drei auto ladungen folgten dem vorschlag und die leipden/dresdzig abenteuerreisegruppe sollte es nicht bereuen. ein großartiger tag mit fanmarsch, strabafahrt durch die uns völlig unbekannte stadt in den neuen „alten ländern“ und besuch eines bemerkenswerten grounds. die dortige tribüne hatte es mir aus vielerlei gründen mehr als angetan. anzahl stufen, neigungswinkel, dachkonstruktion, einfach perfekt für einen haufen lindener größe. einen bericht zu diesem großartigen ausflug verfasste ich damals, welcher aber aus gründen bisher in den untiefen der recheneinheit wartet, auf veröffentlichung hoffend (neues ziel: 14.09.!). nach dem ersten besuch war eines völlig klar: da müssen wir unbedingt nochmal hin! am besten zu einem heimspiel. ein virusdominiertes jahr verging, bis es so weit sein sollte…

bei ankunft unserers autos wurden wir erst von supportaffinen dann von der nicht minder wortgewandten vereinspräsident*in (?) empfangen und in ein längeres begrüßungsgespräch verwickelt. herzliche begrüßung quasi auf allen (vereins)ebenen. nach gemeinsamen vorbereiten der choreo gab es eine ergreifende begrüßungszeremonie für die verbändelten göttinger*innen. hätte jemand ein inbrünstiges „LOS! JETZT! HIER!“ gerufen, die szene hätte für außenstehende auch anders wirken können 😉 . tapeten, rauch, singsang und knuddeln! what more do you want!? drei stunden vor spielbeginn schon essen im stadion anzubieten und dann noch liebevoll kredenzte vegan belegte brötchen, hat seltenheitswert. fettes kompliment an die fanszene 1907! die spielstätten-gaststätte erschien mir fest in der hand von einer ausgesprochen kompetenten, schlagfertigen und überaus sympathischen „macher*in“. vegi in allen formen. würstchen, bouletten,… nudelsalat, tolle getränkeauswahl und und und…. verbesserungswünsche? nope!

mit spielbeginn rollte eine gutdurchdachte choreo der fanszene 1907 durch die tribüne. dafür wurde der zaun auf der rückseite des blocks durch holzlatten gen himmel verlängert. mit dieser neu geschaffenen fläche konnte ausreichend raum geschaffen werden für ein backdrop mit der der aufschrift: „your’re to good to be true“. am frontzaun das pendant dazu: “can’t take my eyes off of you“. nebenbei ein großartiger song, sowohl in der version der pet shop boys, als auch in der originalen von frankie valli. beide transpis wurden zum einlauf der teams enthüllt, luftballons in die höhe gereckt und rauch gezündelt. im anschluss schwenkten sich die fahnen zu einem meer gen himmel. welch genuss in reinform! um so schwerer die fotos davon auszuwählen, einfach zu viele ansehnliche momentaufnahmen…das leben ist brutal! 😉

die letzten 12 monate hatten es für einige von uns in sich, trennten wir uns immerhin von unserm angestammten verein, bei dem uns ein weiteres engagement nicht mehr länger tragbar erschien. tragbar und wichtig dagegen politisches engagement und der blick für die zeichen der zeit bzw. die fokussierung auf wirklich unterstützenswerte projekte. dazu zählen politisch verfolgte und inhaftierte ganz besonders. die meisten haben mitbekommen, was lina passiert ist, was ihr vorgeworfen wird und dass ihr ab dem 08.09. der prozess gemacht werden soll. damit ist sie kein einzelfall, aber die art, wie staatsanwaltschaft und bestimmte medien sie an den pranger stellen und versuchen sie mit rechten mördern gleichzustellen, macht es aktuell zu DEM FALL! wir finden, dass es für das thema gar nicht genug positive mediale aufmerksamkeit geben kann. deshalb haben wir eine kleine support kampagne ausgeheckt. erfreulicherweise hatte die fanszene 1907 sofort bock darauf, dies gemeinsam in ihren ground zu tragen. wir nähten und malten zwei tage den stoff, linden schraubte zwei angemessen über-proportionierte hämmer zusammen, dazu ein wenig leckereien aus dem büroschrank und fertig.

vor ort gab es einiges zu beäugen, neue graffiti, welche von der klaren haltung der fanszene und des vereins zeugen, prima sticker, starke doppelhalter und zaunfahnen mit deutlichen ansagen! manche von den gastgeber*innen, andere von den angereisten.

nach abpfiff bedankte sich das team noch mit einer tapete und einige anwesende begannen, das areal in eine freiluft-disse zu verwandeln. besonderer hingucker: der tanzende papa, mit dem kleinen volle kanne am abhotten (rechter bildrand) ein würdiger abschluss eines tollen ausflugs. bis bald! 🙂

alvy singer

ps: bitte nicht vergessen am 18.09. findet ab 14:00 in leipzig eine antifa demo mit bundesweiter mobilisierung statt. alle infos: https://www.wirsindallelinx.com/

2 Gedanken zu „demonstrativ am lila weißen tisch – eine fahrt zur fanszene 1907

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