Der Popanz 1.5

Wer profitiert? Das Ressentiment profitiert. Nein, es ist vielmehr triumphal. Es ist ein Schrei, nicht nach Liebe, sondern nach Sieg, im Vorurteil per se Sieger zu sein. Und im Vollzug des „Siegens“ ist schon gesiegt und wird weiter. Denn das Vorurteil ist mit ihnen.

Angemeldete Demonstrationen, deren Organisator*innen alle Auflagen erfüllten und Unterlagen einreichten, wurden verboten. Lina E. war mit dürftigen Indizien-„Beweisen“ und unter Zuhilfenahme eines notorischen Lügenlieferanten verurteilt worden. Hiergegen sollte Protest auf die Straße. Hierfür es ein tiefes Bedürfnis in der gekränkten Seele jedes aufgeklärten Menschen gab und gibt oder doch wenigstens geben sollte. Doch wurden die Demos verboten. Warum?

Es wurde gesagt, was im Zuge der Demonstrationen die Verwaltungsbehörden befürchteten, gestützt auf Prognosen der Polizei: Ausschreitungen und Tumult, Gewalt, Randale, oder dergleichen Schlagwörter. Hieraus, sich eine andere Fokussierung, ein anderes Ventil des Druckablasses ergab, in einem Park vor einer Schule. Doch dazu ein ander Mal.

Worum es hier gehen soll, ist das politische Instrument der Demonstration. Und hier ist nicht gemeint: „für die Demonstrierenden“, sondern die Funktion für den Staat und seine Organe. Diese ist nämlich, im Rahmen sonst absoluter Restriktion und sonstiger Kanalisierung in die „Repräsentation“, dazu da politischen und gesellschaftskritischen Protest sicht- und fühlbar zu machen. Und sei es auch nicht mehr als eine rein symbolische Sichtbarkeit, lokal begrenzt, für nicht mehr als einen Tag (in der Regel). G7 (bis 10)-Proteste oder „Chaostage“ einmal ausgenommen, als eher singuläre Ereignisse. Kurz gesagt, das Instrument der Demo ist dafür da, in kleinen kontrollierten Entzündungen von kollektiver Energie, aufgestaute Wut aus Teilen der Bevölkerung abzulasssen. Demos haben eben Ventilfunktion.

Hieraus ergibt sich das Verständnis für ein kluges Zitat von Rudi Dutschke, der ungefähr sagte eine Demonstration, die von den Behörden und der Polizei erlaubt werde, solle von den Veranstaltenden abgesagt werden. Da sie offenbar nicht genügend Stachel im Fleische des Schweinsystems sei. Sozusagen könnten sich die Veranstaltenden beglückwünschen Stachel im Fleische zu sein, doch das greift zu kurz.

Denn den Maßstab dessen legen die Machtinhaber*innen fest und daran bemisst sich nicht eine tatsächliche Stärke einer den Verhältnissen mit Unordnung drohenden Demo, sondern das Moment des Zugeständnisses an politische Gegner dieses Systems. Jenes nun, in der allumfassenden Polarisierung, welche stattfindet, dies Momentum ist klar auf Seiten der Machtinhaber*innen, die aufgrund der Schwäche des pol. Gegners nicht zu Unrecht annehmen, das die Gewährung des Privilegs (das als Recht vermarktet wird) auf die Straße zu gehen und ein bisschen rumzubrüllen, entzogen werden kann. Und weil die Machinhaber*innen wissen, dass das Momentum auf ihrer Seite ist, dass eine linke, eine autonome, eine anarchistische Szene keine politische Rolle spielt, wollen sie durch die Demoverbote auch das kulturelle, gesellschaftliche Ereignis, welche eine Demo auch ist, den Demogängern entziehen. Und sie en bloc aus der öffentlichen Wahrnehmung nehmen.

In den symbolischsten aller Zeiten, wo kein billig manipuliertes Bildchen nicht dumm genug ist, noch zum Meme zu werden, soll der politische Gegner nicht einmal mehr diese Symbole erzeugen können. Das Bild soll nicht entstehen, welches den, falschen, Eindruck vermitteln könnte, dass Kritik an der Polizei, den Gerichten, den diese begleitenden Medien, auf die Straße gebracht irgendeine Wirkmacht entwickeln könnte, jenseits des Symbolischen, dass da ist: Selbstvergewisserung jener die ohnehin schon an jene Kritik glauben. Was an sich, für jene, einen Wert hat. Und daher soll er, dieser Wert, vorenthalten werden.

Denn was ist auf Demos der letzten Jahre alles so passiert? Ein bisschen Sachschaden. Kaum der Rede wert. Wer hat dieses beursacht, etwa die gesamte Demo? Nein, Einzelne aus dieser heraus oder am Rande ihrer. Doch dieses wird sich, selbst wenn es gewollt wäre, niemals vermeiden lassen. Keine Veranstaltenden könnten dieses je zusagen oder vermeiden. Dem freien Ausdrucke des Protestes ist inhärent eine zu große Kontrolle der Protestierenden zu vermeiden. Obschon es natürlich beim Verlesen von Auflagen, stets die Bitte an alle gibt, Gewalt möglichst zu vermeiden. Obwohl auch das kontraintuitiv ist. Wo soll Gewalt, z.B. gegen Glasscheiben einer Bank, oder Polizeiautos, aus Sicht der Behörden denn eher geschehen? Auf einer Demo, wo mehrere Hundert Bullen, mit mehreren Dutzend Kameras, innerhalb von Sekunden am Ort des Geschehens sind? Oder soll sie lieber random ihren Ausdruck finden, oder gar mit Planung und größerer Wahrscheinlichkeit im Vollzug unentdeckt zu bleiben?

Kurz gesagt, eine Demonstration ist IMMER im Interesse der Staats- und Landesorgane. Warum also diese Verbote? Neben der beschriebenen Beschränkung der Selbstvergewisserung der Teilnehmenden am symbolischen Akt scheint aus Sicht der Behörden nicht viel bei rumzukommen. Außer freilich, die Polarisierung, die Verschärfung des Klimas gegenüber der sächsischen Justiz und ihrer Exekutive, voranzutreiben. Oder vielmehr zur Konfrontation noch beizutragen. Wenn doch aber das Interesse ist, im Verbot, gerade dieses zu vermeiden? Möglicherweise ist es das ja gar nicht wirklich? Könnte das sein?

Die Konfrontation zu suchen hat Vorteile, es nährt das Narrativ von den gefährlichen Linken, auf diese umso gefährlicher reagiert werden müsste. Schneller und mehr Pfefferspray, Knüppel raus zum Zeckenklatschen, mehr Geld, mehr Personal, PolizeistaatPolizeistaat. Vielleicht klingt das, denn doch zu entfernt vom Ereignis um noch als Analyse gelten zu können, wenn es je als solche gelten konnte, aber ist das so ganz und gar unplausibel?

In der Polizei, in der Justiz sind, wie mensch immer wieder dümmlichst bestärkt, auch Menschen. Genau. Also jede Menge Schwachköpfe die, wie alle Menschen, in ihren Echokammern hocken und, insofern empfänglich, sich im und am Ressentiment berauschen und es verstärken lassen. Sitzen die also, und hören sich AfD-Reden an, treffen sich in Chatgruppen um Hitlerbildchen zu teilen, bestätigen sich in Antisemitismus, Rassismus, Misogynie und was nicht alles noch mehr. Und ihnen zuckt das Muskuläre in der Schlagstockhand, oder in jener die über Schicksale den Hammer schwingt. Und das macht nervös, warten, immer Warten, auf ihren Tag X, da sie politische Gegner auszulöschen gedenken. Aber ein Demo-Tag-X der Linken. Des Protestes. Der regulären Luftmachung von Unmut. Nee, das geht nicht.

Sie Wissen, dass die Gewalt die heute nicht erfolgt, morgen kommen wird. Die gesellschaftliche Sprengkraft ist einfach zu groß um nicht hier und da kleiner Explosionen zu erleben. Nur wird sie eben beim nächsten Mal, sich zu dem zu addieren, das bis dahin angefallen sein wird, an Wut und Druck. Und sie hoffen auf den großen Knall, auf einen Vorwand einmal so richtig loszuschlagen. Mit Polizeipanzern und Wasserwerfern, reinzugehen und windelweich zu schlagen, endlich, endlich! Doch die verdammten Linken tun ihnen nicht den Gefallen. Wieso nur nicht??!! Bitte bitte, wir wollen euch doch zerschlagen. Freilich alles nur Spekulation.

Es bleibt, dass die Justiz korrumpiert ist, von der Law & Order Agenda und der Aussage und Expertise der Bullerei. Diese wiederum im Ressentiment ersäuft und daher die Lüge vor sich herträgt, wie ihr Wappen. Lügen die die Justiz nichts mehr als glauben möchte und so ist Mensch sich einig. Die Situation wird nur noch schlimmer werden. Und der Beweis hierfür zeigte sich bereits wenige Tage nach den Verboten.

Sowohl Justiz als auch Polizei sind politisch und die Politik versteht nicht warum das ein Problem ist. Hat doch in der Geschichte nie zu Problemen geführt. Also für ihresgleichen. Und all die bürgerlichen Mitläufer und, im Zweifel, Ja-, wenn nicht gar „heil-“, Sager.