Shorts I

Vom Express

Bild-Quelle: https://www.deutschlandfunkkultur.de/politologin-zu-jugendkrawallen-kritik-von-leuten-die-sich-100.html

Mitunter zeigen uns die kleinen Dinge, was im Großen vor sich geht. Und da geht so Einiges!

Hier und heut geht es mal „kurz“ um die Express-Kasse. Sie ist eine „Neuheit“, die sich inzwischen bspw. in Super- und Baumärkten findet. Deskriptiv lässt sich sagen, dass hier Menschen, die (ausschließlich) mit Karte zahlen möchten, und eine überschaubare Menge an Waren zur Kasse bringen, hier selbst besagte Waren einscannen können und dann direkt zur Bezahlung überzugehen vermögen. Sollten hierbei Schwierigkeiten auftauchen, ist es möglich eine angestellte Person um Hilfe zu ersuchen, die u.a. hierfür anbei stehend verfügbar ist. Gleichsam beobachtet diese Person den je individuellen Scan-Prozess von mehreren Express-Kassen, gern gleichzeitig von 4 und mehr.

Warum nun gibt es das? Der unmittelbare Nutzen sei, so wird es propagiert, die klassischen Kassen, welche mit Fachverkäufer*innen besetzt sind, v.a. zu Stoßzeiten zu entlasten, da so Menschen mit wenig Waren von jenen sich scheiden, die größere Einkäufe tätigen. Für Erstere ist es zudem angenehm, dass sie sich gewissermaßen legitim vordrängeln dürfen, da der Ablauf ihres Ein-Scannens und -Zahlens ein geringeres an Aufwand (den sie selbst leisten) und Zeit benötigt, als bei den größeren Einkäufen. Das ist z.B. gut ersichtlich, wenn ein Supermarkt in der Nähe einer Schule ist und in Pausenzeiten die Jugend den Laden stürmt um, zugespitzt gesagt, zu Dutzenden je 1-3 gesundheitsgefährdende Waren zu erwerben.

Abschweifung, beruhend auf diversen Beobachtungen:

Gerade in Leipzig ist sich der fußballvermarktungszugetane Pöbel sicher im Klaren, welch Segen und Heil Gummibärchenbrausehersteller verheißen können. Doch, so ist sicher eine legitime Frage, wieso dürfen sich (vielleicht) 10, 11 oder 12-jährige Kinder im Rewe (o.ä.) vor Zucker und Koffein strotzende Schlotze kaufen, ihr ADHS zu füttern? Während die Kaufenden eines 0,0% Alkohol enthaltenden Bieres, nachweisen müssen, dass sie über das 16te Lebensjahr hinaus sind?

Abschweifung Ende.

Soweit nur Vorteile? Wo ist nun also das Problem?

Es ist weniger ein Problem als mind. eine vermutbare Tendenz die hier, vielleicht nicht gerade den Anfang findet, aber definitiv eine Fortsetzung. Die Durchkapitalisierung des Einkaufsprozesses soll stet insofern verstärkt werden, als dass die zunehmende Einsparung von Arbeitskosten möglich wird, freilich schrittweise und den Kund*innen möglichst wenig bemerklich (Menschen sind in Dingen des alltäglichen Lebens sehr häufig im Wortsinn konservativ, von lat. conservo, der Erhaltung von Routinen). Dieser Prozess liegt im Kapitalismus selbst begründet und ist dem angeführten Exempel keinesfalls exklusiv!

Die nahe liegende Vermutung lässt sich am Personalschlüssel ablesen, welcher hier pro Transaktion vorfindlich ist, eine angestellte Person überwacht mehrere Kund*innen gleichzeitig, statt wie bisher üblich genau eine*n. Die Arbeit des Einscannens und Zahlungentgegennehmens wird auf die kaufende Person outgesorceed, insofern jene Arbeitsvorgänge den Marktbetreibenden keine Kosten mehr verursachen und die Personalstärke zusätzlich reduziert werden kann. V.a. wenn sich dieses System etabliert und von der Kundschaft hinreichend angenommen wird. Die Nutzung dieser Kassen führt also über kurz oder lang zum Verlust der Arbeit für in diesen Geschäften Angestellte.

Es führt dazu, dass der Teufel noch etwas mehr auf den großen Haufen scheißt, und also die Säckel der Konzernleitenden (nicht der Marktleitenden) füllt, zudem der einkaufende Mensch in seiner Freizeit zum Mitarbeiter wird und also (noch mehr als ohnehin) zum Rädchen im Getriebe der Ausbeutung, über die eigene, um des Gelderwerbs, hinaus. 

Die Essenz hieraus ist: Wer das nicht möchte, möge doch bitte Express-Kassen boykottieren und auch Menschen aus dem Umfeld darüber aufklären, was hier, im Hintergrund der angenehmen Zeitersparnis verdeckt, sehr wahrscheinlich passiert/passieren soll.     

Kurz: Mensch nutze die Kassen hinter denen echte Menschen sitzen. Sei freundlich und geduldig diesen gegenüber, bedanke dich und wünsche einen guten Tag. Die Welt ist beschissen genug, da kann Mensch wenigstens für einen Moment die Existenz eines andern um ein Jota angenehmer gestalten.

Und-Aber, wie immer im Kapitalismus, freilich wird die Entmenschung dieser Prozesse nicht für ewig aufzuhalten sein und letztlich obsiegen. Testversuche unentwegter Durchleuchtung von Menschen in von Personal befreiten Einkaufsläden gibt es längst. Hier werden genommene Waren, welche dem Wagen zugefügt werden, z.B. automatisch erfasst, beim Verlassen automatisch der hierfür aufgerufene Preis, abgebucht. Potentiell ganz ohne menschlichen Kontakt

Zweite Abschweifung:

Ein Aspekt soll hier besonders betrachtet werden, neben bereits Beschriebenem. Erstens sind diese Vorgänge, bei jenem Modellprojekten wie auch bei der Express-Kasse, nur bargeldlos auszuführen.

Hier soll nicht die Kabale genährt werden, dass der Verlust von Bargeld in den Aktionen des täglichen Konsums irgendwie etwas inhärent Schlimmes wäre. Beides, Girokonto und bedrucktes Papier sind imaginierte Entitäten denen Wert zugewiesen wird, den sie objektiv nicht haben, sondern eben „nur“ intersubjektiv. Das ist an sich kein Problem, wenn im Bankensystem, in Volx-Würgschaften und im Kapitalismus allgemein alles glatt läuft… also naja, wie gesagt: Alles Kein Problem! Das ist ein Diskussionsgegenstand für einen andern Text.

Es soll eher darum gehen, dass mit dem Verlust der Stückelung und der damit Benötigten Abzählung von Wertträgern, das Gefühl für diese Werte verkommt, wenn die Taktilität dieses Vorgangs sich zunehmend reduziert. Die Sinnlichkeit des Geldwechsels wird reduziert. Der Modellfall lässt sich gar insofern extrapolieren, als dass der Vorgang des Zahlens ohne Zutun des Kaufenden möglich wird. Kontaktloses Bezahlen im Moment des Überschreitens, mit einem Warenkorb, einer bestimmten Abbuchungsgrenze. Denkbar ist dieses, ohne jede Information, was nun die Summierung der Ware dem Konto abverlangt.

Nun ist dies eine zugespitzte Phantasie, aber es scheint naheliegend, dass die Konditionierung des Konsumenten dahin gehen soll, möglichst effektiv jenem zu suggerieren, was er wollen soll. Und dabei sind Zweifel des um das Geld zu Erleichternden nicht gern gesehen. Etwa motiviert durch das Gefühl, des Begrenzten (im Portmonee) arg schnell verlustig zu gehen, und also Möglichkeit zu geben, vom Impuls des Haben-Wollens wieder zurückzutreten. Konditionierung wie sie durch den Online-Handel schon weit fortgeschritten ist. 

Abschweifung Ende

Schöne neue Einkaufs-Welt!