Shorts II

Vom Leihen

Bildquelle: https://www.deutschlandfunkkultur.de/e-roller-leihen-zerstoerung-100.html

Einem aufmerksameren Menschenschlage mag es aufgefallen sein: Menschen bewegen sich im öffentlichen Raum mitunter sehr unterschiedlich. Worin nun diese Unterschiede gründen, soll hier hinterfragt werden. Denn, vielleicht ist das relational einsehbar, es scheint in letzten Jahren doch mehr und mehr dahin zu kommen, dass die allgemein angeratene Rücksichtnahme, der Teilnehmer an der  Bewegung menschlicher Massen durch die Stadt, arg vernachlässigt wird, um nicht gar zu sagen verleumdet wird.

Beispiele sind Zuhauf und bei andrer Gelegenheit soll dies nähere Betrachtung erfahren. Was hier interessiert ist, dass zum beschriebenen vermeintlichen Phänomen (a-)sozialer Praxis, dem Kapitalismus gemäß, Dinge beigestellt werden, zur Vernutzung und Perpetuierung jener Praxis die der dinglichen Nutzung Steigerungspotentiale und also steigende Kapitalumsätze erlauben.

Konkret, ein beliebiger öffentlicher Raum, ein Park, ein Schulhof, ein ohnehin nicht breiter Fußweg, oder derlei, darauf von einem Ding, genannt Leih-Roller oder -Fahrrad, Raum besetzt wird. Dass dem Verschandelung, Vermüllung, Blockade von Wegen und Plätzen einhergeht, ist klar und allzumenschlich (in der gegenwärtigen Kulturzurichtung). Es handelt sich dabei um öffentlichen Raum, jener der potentiell Allen zusteht und damit Niemandem.

Doch wo ist das Problem? Ist doch praktisch und mit der App schnell nutzbar, also nützlich! Und Leihen ist doch auch gut, viele Menschen nutzen so ein Rad, statt dass jede*r eines käuflich erwirbt, das nimmt ja auch Platz weg, verbraucht Ressourcen, etc.pp.

Sicher ist da etwas dran (aber nicht sooo viel, wie erst vermutet werden könnte). Doch eben auch jenes: Wie die Zulieferwaren von Lagerhäusern auf die Straße verlegt wurden, on demand, fluide Lieferketten, statt Abruf-Lieferungen, findet auch hier der öffentliche Raum sich als praktisch kostenloses Lager für die Ware. Als Einsparungspotential. Als Werberaum. Als Aufmerksamkeiterzwingen.

Denn will Mensch nicht stolpern, sind die in den Weg gestellten Sammelpunkte und -Halterungen zu umschiffen, durch schlängelndes aus-weichen von der geraden und schnellsten Wegfindung. Ein Prinzip, das sich aus dem Supermarkt hierin exportiert hat, ein Labyrinth aus Regelwänden ist dazu da, Menschen mit der Auslage zu konfrontieren, ihren Blick möglichst über jede Ware zu lenken, auf dem Weg zum Ausgang. So auch hier. Doch damit, kommt der Ausgang abhanden. Gibt es noch warenweltferne Räume?   

Die Kleinigkeit scheint kaum der Rede wert, so gewöhnt ist der im Kapitalismus verzogene Verstand schon an diese Vorgänge. Hier wie überall ist die Normativität, die Affirmation ansich ein problematischer Zustand der Unfreiheit.

Speziell, dass im öffentlichen Raum, der eben nicht um des Konsums Willen primär existiert(e), die Aufmerksamkeit, welche hier erzwungen werden soll, eigentlich für anderes benötigt wird, eben etwa dafür in gegenseitiger Rücksichtnahme körperlich und seelisch unbeschadet von A nach B zu kommen.

Hierfür die Anforderungen ohnehin schon zahlreich sind.

Etwa den Smartphone-Zombies auszuweichen. Und stromernden Klein-Kindern deren Bewegungsdrang keine Grenze zu setzen ist(!), wenn es schon Eltern nicht vermögen dies zu tun (Unfähigkeit wird zum Erziehungskonzept…). Menschengruppen, in Familie, als Reisegruppe, etc. die es vermögen, je einen Meter Wegesbreite einzunehmen und diesen in Perlenschnurformation schlurfend sperren. Etwa wie auch frische Mütter, die ihre Kinderwagen neben sich herschieben und mit den Mitmüttern anbei zu zweit und dritt schon mal 5m Breite in Anspruch nehmen, je ein Smartphone mit Aufmerksamkeit segnend, dem das Gesichtsfeld exklusiv ist. Oder den Auf-Straßenläufer*innen, die nicht verstehen zu scheinen, wozu es Fußwege gibt. Oder Partypeople, die Brücken Sommers komplett sperren und mit geleertem und gesprengten Glas pflastern. Oder den unvermeidlichen Mackerarschlöchern, die ihre schwellende Körperlichkeit auf Kreuzungen präsentieren, derer sie sich annehmen und in Alu-Gestänge-Parks der Freikörperkulur zur Renaissance verhelfen Gruppen mächtigmännliche Hindernisse bildend, die zwingen, zum: Sehtmichan! Boah! Bin ich ein Typ unter Typen!

Derlei mehr kennt wohl jedes zur Bewegung genötigte leidlich bewusste Molekulargehäuf humaner Art. Und erleidet es.

Kurz Menschen sind physikalisch betrachtet, gern mal im Weg, was unvermeidlich und eben daher zur gegenseitigen Achtung zwingt. Sollte mensch meinen. Dieses Mangeln ist jedoch am Beispiel in seiner Drastik besonders gut zu erkennen. Denn einmal genutzt, sind die entliehenen Mobilitätshilfen, immobil geworden. Und stehen nun, oder liegen quer, irgendwo, wo jemensch dem nichts an dem Gegenstand gelegen ist, den er gerade wieder los ward, und also nicht Sorge zu müssen meint, dass seines, was nicht seines ist, nicht andere störe, nun verbleibt. Also stört er, weil: fuck ‚em.

Haltung die sich auch in den andern Beispielen findet. Antizipation der Bedürfnisse anderer und die Kenntnis davon, dass eigene Freiheit zu enden habe, wo die der nächsten Person beginnt, scheinen verschütt. Vielmehr wirkt das Herausstellen der Existenz, der Ausgedehntheit der eignen Physis im Raum, geradezu aggressiv und scheint präventiv verteidigt zu werden, der Raum wird beansprucht und personalisiert, hier bin ich da war ich und da will ich sein, Aus dem Weg!

So auch der unternehmerische Ansatz. Eine Geschäftsidee wird auf den Weg gebracht, sie funktioniert leidlich, also Vollgas auf dem eingeschlagenen Pfad. Wachstum, Investition, Raumnahme und präventive Abwehr von Konkurrenz. Monopolisierung, Markenwerdung bestimmter Bewegungsarten, idealerweise. Wie bei der Deutschen Bahn und bei lokalen öffentlichen Nahverkehren.   

Nirgends ist hier je hinterfragt, ob das all so entwickelte Produkt, gesamtgesellschaftlich, irgendeinen Nutzen hat, der über den der Kapitalmehrung hinausgeht. Vielleicht wäre das auch zu viel verlangt. Doch wenn die Negativität des Ganzen ersichtlich wird, warum muss dann der Rubel in jenen Geläufen unbedingt weiterrollen?

Manche Städte haben tatsächlich reagiert. Stellen an Anbieter Forderungen. Es gibt in manchen Stadtteilen gar z.T. Abstellverbote. Doch all das ist höchstens reaktiv und kaum sinnvoll zu kontrollieren. Ohnehin werden in Unternehmen Gesetzes- und Verordnungsverstöße schlicht mit eingepreist. Siehe völlig rücksichtslos abgestellte Amazon-Fahrzeuge. Hier ist der Strafzettel einfach ein abzuziehender Kostenfaktor der durch die Beschleunigung der Abläufe (etwa nicht mehr nach Parkplätzen zu suchen) aufgefangen wird. Mensch braucht nicht viel Phantasie sich vorzustellen, wie sich Verantwortliche an entsprechenden Konzernstellen über das Ordnungsamt und die Regulierungsversuche von Städten totlachen.

Weil es keine echten Mobilitätskonzepte gibt (welche den Namen verdienten und auf den Klimawandel sinnvoll reagierten) die ernsthaft aus Analysen Schlüsse ziehen würden, und dann darauf basierend gesamtgesellschaftliche Leitplanken aufbauen könnten, wird dieser Wildwuchs sich fortsetzen und die Städte weiter und immer mehr verstopft werden.

Es ist nicht anders zu erwarten. Wo Alles Nichtkapitalisierte immer schon als Potential des Investments betrachtet wird und aus der systeminhärenten Notwendigkeit der unübersichtlichen Geldmengen ein Mehrungsheim zu gewähren eben einfach das Investment geschieht.

Die Beschissenhaftigkeit der Dinge geht voran. Keine Atempause. …